ÖBB – Eine Abrechnung


Ich, als überzahlender Kunde nehme mir heute einmal das Recht meine Meinung zu den Streichungen der Züge nach/ab Graz Hbf, mit Gewichtung auf die Fernverbindung Richtung Salzburg.

Wie im Sommer bekannt wurde hat die Bahn vor ab dem neuen Fahrplan den 2h Takt aufzulösen und insgesamt vier der bisherigen sieben Zugpaare zu streichen. Es verbleiben ab dem heurigen Winter nur mehr die in Grafik 2 nicht durchgestrichenen Verbindungen (sieht dann wahrscheinlich bei Salzburg-Graz ähnlich aus, aber so weit will ich noch nicht spekulieren).


Nebenbei verbleiben auf der Strecke Graz-Maribor auch nur zwei der bisherigen sechs täglichen Zugpaare.

Derzeit werden (oder wurden vor kurzem) folgende Bahnhöfe (Quelle) umgebaut bzw. erneuert: Graz Hauptbahnhof (167,5 Mio. €), Leibnitz (166,6 Mio € inklusive Ausbau Werndorf-Spielfeld), Liezen (5 Mio. €), Schladming (14,4 Mio. €).  Das ist jetzt, glaube ich, nicht wenig Geld und auf den Koralmtunnel möchte ich nicht näher eingehen. Insgesamt sind das halt über 350 Mio. €. Darum könnte man sich schon ein schönes Auto kaufen, nicht?

Da tut man sich ein gewisses Ungleichgewicht auf. 350 Mio. € investieren damit 2/3 der Fernverbindungen wegfallen. Naja, gut der Grazer Hbf hat auch noch die Strecke nach Wien, welche noch nicht so stiefmütterlich behandelt wird, wie die anderen, aber im Vergleich mit ähnlichen Strecken auch hinterherhinkt.

Kommen wir zur alles entscheidenden Frage:

Warum?

Von offizieller Seite der ÖBB gibt es kurz und bündig zwei Antworten:

Auslastung: Zu wenig Menschen fahren mit den Schnellzügen

Ich benutze wöchentlich diese Verbindung (hin und zurück) und mir ist eigentlich nie vorgekommen, dass sie schlecht ausgelastet ist. Vor allem die Österreichischen Züge (mit ca. fünf Wagons) sind immer ziemlich voll. Da muss man zu gewissen Zeiten sogar reservieren um überhaupt einen Sitzplatz zu bekommen. Auf der anderen Seite die Deutschen Züge (welche direkt nach Saarbrücken weiterfährt) mit ca. neun Wagons. Hier ist glaube ich klar, dass manchmal der ein oder andere Wagon spärlich besetzt ist. Doch letztes Mal war auch so ein Zug an seiner Kapazitätsgrenze.

Wenn nun vier (bzw. fünf, weil der Zug um 5.45 Uhr nicht wirklich attraktiv ist) gestrichen werden, konzentriert sich theoretisch diese Masse von Zugfahrern auf 2(!) Züge. Ich freue mich schon im Dezember, wenn ich meine ÖsterreichCard vor lauter Reservierungen nur so brennen lasse.

Natürlich werden einige auf die S-Bahn umsteigen. Viele aber werden sich denken „Alles klar, wenn ihr nicht wollt, dass ich mit den Öffis fahre, dann lasse ich es halt.“ Wofür sinnlose Kampagnen für mehr Zugfahrer, wenn eh nichts mehr fährt?!  So macht man auf jeden Fall der Bevölkerung das Zug fahren nicht schmackhaft.

Wenn man sich nun die Grafik 1 mit der Direkt-Verbindungsdichte durch den Kopf gehen lässt, denkt man sich wahrscheinlich als Erstes: Wtf??? 61 vs. 3??? Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Schnellzüge von Linz nach Wien 20(!) mal so gut ausgelastet sind wie von Salzburg nach Graz. Das kann es bitte doch nicht sein.

Auch finde ich es eine Frechheit, dass von der 3. größten zur 2. Größten Stadt eine Reise komplett mit Fernverbindungen (über die kürzeste Strecke) nicht möglich ist.

Unsere Öffis sollen für die Öffentlichkeit da sein und nicht immer nur den Sparstift sehen. Wobei wir nun ja bei diesem Thema wären…

Wirtschaftlichkeit: Die Verbindungen sind wirtschaftlich nicht rentabel

In letzter Zeit hat man immer wieder von diesem einen bösen Wort gehört. Beginnt mit Kor… irgendwie so… ah ja KORRUPTION heißt es! Alle möglichen Manager und Lobbyisten (und auch Bundeskanzler) bekommen das Geld direkt mit dem Railjet nur so hinten reingeschoben, damit wir die brav zahlenden Kunden dann auf das Abstellgleis gestellt werden und gesagt bekommen, dass diese Strecke nicht genug Geld reinbekommt. Vielleicht mögen die Strecken Graz-Salzburg bzw. Graz-Linz nicht die Strecken mit den meisten Gewinnen sein, doch bevor es irgendwelche überbezahlten „Säue“ bekommen kann ruhig ein bisschen was für das Volk auch hergegeben werden.

Und die Ausrede, dass jetzt durch die ganzen Bahnhofserneuerungen zu wenig Geld für die Züge da sind, welche in genau diesen Bahnhöfe halten sollen ist wirklich abgründig billig.

Folgen

Das Ausmaß der Katastrophe ist auf den ersten Blick sehr schlimm: Wenige, extrem überfüllte Züge. Doch auf den zweiten Blick muss man auch die Folgen für den Regionalverkehr sehen. Vor allem auf der Strecke von Stainach-Irdning nach Attnang-Puchheim, meiner Heimatverbindung.

Diese Regionalstrecke ist (wie sehr viele Regionalzüge) zu 100% an die Fernverbindungen gekoppelt. Im 2h-Takt fahren Züge fünf Minuten nach der Ankunft des Eurocity und umgekehrt von und nach Stainach-Irdning. Die perfekte Anbindung. Diese wird zwar wahrscheinlich für die verbleibenden drei Verbindungen bleiben, doch was wird aus den anderen Zügen? Wenn kein Anschlusszug fährt muss man eine Stunde auf den Anschlusszug warten, von beiden Seiten. Das wird wahrscheinlich das „Killer-Feature“ für den Regionalzug und würde das aus bedeuten. Danach kann es sein, dass nur mehr drei Zugpaare pro Tag die Salzkammergut-Strecke abfahren. Aber mal sehen was kommen wird.

Dazu sind auch noch die Busanbindungen von Liezen und die Anschlüsse in Selzthal von diesem Kahlschlag betroffen.

Traurig aber wahr. Ab Dezember an ihrem Bahnhof: Keine Verspätungen mehr an Bahnhöfen! … weil keine Züge mehr fahren.

Bitte. Danke. Aus.

PS: Wer dagegen ist, kann hier seine Unterstützung abgeben.

  • Thomas Mann

    Ich finde viele gute Gedanken und Bilder, macht weiter so.
    Grüße aus Bad Aussee sendet
    Tom

  • jojo

    schaut das nur so aus oder wird der Salzburger Hauptbahnhof auch umgebaut?
    aber es ist schon wahr: die Westbahn-strecke wird ziemlich bevorzugt…
    man muss aber auch sagen, dass diese vielen Züge nicht leer durch die Gegend fahren. am Wochenende sind die Wagons ziemlich ausgelastet (unter der Woche fahr ich nicht)
    Aber das Geld welches dadurch hereinkommt könnte man ja auch dazu nutzen Strecken die weniger Gewinn einfahren zu erhalten, denn irgendwie hat das mit dem bestechen nicht ganz hingehaut wenn da jetzt auf der Lieblingsstrecke ein Konkurrent mitmischen darf…

    • Niklas

      Ja, sieht so aus als ab der Salzburger Hbf auch umgebaut wird; Hab ich nicht gewusst…
      Die Situation ist auf der Sbg-Graz Strecke auch ähnlich. Am Wochenende sind die Züge gestopft voll. Deswegen wäre es gut, wenn zumindest Freitag (,Samstag) und Sonntag mehr Züge fahren. Aber auch unter der Woche würden die Züge gebraucht werden. Auch wenn sie dort vl. nicht soooo ausgelastet sind.


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