Vor 10 Jahren entschloss sich eine kleine Gruppe von CDH07 HTL-Absolventen, eine Spazierung zum Meer zu unternehmen: „Seaside, Baby!“ war das Motto, 75 km lang die Strecke von Ilirska Bistrica nach Izola, 3 Tage die Zeit, 30°+ die Temperatur und „dürftig“ die Vorbereitung darauf. Wie man heute weiß, haben wir es trotzdem geschafft und nicht nur das: Wie aufmerksame rwrBrille-Leser wissen, ist daraus eine Tradition entstanden: Jedes Jahr aufs neue wird eine (Meer)mehrtageswanderung unternommen: Abwechselnd in den Bergen und ans Meer.
Wie ein guter Wein sind wir in dieser Zeit von 20-Jährigen Buben, die keine Ahnung von der Welt haben, zu 30-Jährigen Männern gereift, welche die Lebenserfahrung mit dem großen Löffel gegessen haben. Oder so ähnlich. Zumindest unsere Wanderausrüstung und Vorbereitung hat sich etwas verbessert. So geht Matzi zum Beispiel nicht mehr mit der Jeanshose wandern, die Rucksäcke sind etwas leichter geworden (auch weil das gusseiserne Schneidbrett leider daheim bleiben muss) und wir buchen unsere Unterkünfte schon im Voraus, anstatt um 21:00 Uhr in der Dämmerung verzweifelt eine Bleibe zu finden.
Zum Jubiläum haben wir heuer eben diese (fast) Originalroute wieder in Angriff genommen. Eine Herausforderung dabei war schon die Planung: Es gibt nur ganz wenige Unterkünfte entlang der Strecke, daher mussten die Tagesetappen speziell dimensioniert werden.
Die Wandergruppe war übrigens fast wieder ident: Christoph, Gernot, Georg (Rufus), Matzi (anstatt Stefan) und ich. Los geht’s!
Tag 1
Nach einer Anreise am Vortag und einer Übernachtung beim Urlaub am Bauernhof „Peternelj“ inklusive Verköstigung im Balkanstil (Speisekarte: Fleisch, Fleisch, Fleisch. Nur wenn man ganz lieb fragt gibt es auch Gemüse), sind wir perfekt vorbereitet für die erste Tagesetappe mit 29 km und 1100 Höhenmetern. Im Vergleich zu vor 10 Jahren, liegt der Originalstart – der Bahnhof Ilirska Bistrica – planungsbedingt leider schon vier Kilometer hinter uns, dafür geht es heute schon auf den höchsten Gipfel der Tour: den Slavnik!
Um 08:40 Uhr war die Abmarschbereitschaft – nach etwas Verzögerung und es sollte nicht die Letzte sein! – hergestellt. Bei noch angenehmer Temperatur gehen wir entlang eines Baches in einem schmalen Tal, leicht schattig auf einer nur wenig befahrenen Straße dahin. Nach wenigen Minuten war die Betriebstemperatur erreicht und das Tempo mit ca. 10 Minuten pro Kilometer ganz passabel.
Nach 3,5 km biegen wir dann in die erste Steigung mit 300 Höhenmetern auf einen Feldweg, bis wir das Örtchen Pregarje erreichen. Am Hügel entlang wandern wir zügig dahin und schaffen es dank der mittlerweile viel besseren Markierung und einer ausgereifteren Kartenapp – vor 10 Jahren waren Karten am Handy eher noch Neuland – ohne Probleme am richtigen Weg zu bleiben.
Kurz nach der Ortschaft Brezovo Brdo wird es dann aber doch etwas spannend: Die Handyapp zeigt nach links auf einem schönen Feldweg, die Markierung allerdings rechts in den tiefen dunklen Wald hinein, auf einen Weg, der am Handy nicht einmal verzeichnet ist. Was mich dabei stutzig macht: Ich erinnere mich, dass wir uns vor 10 Jahren genau hier verlaufen hatten.
Da die Markierungen bisher aber richtig und auch noch relativ frisch waren, gingen wir in den schattigen Wald hinein. Was ich noch nicht erwähnt habe: Passend zu unserer Wanderung, ist genau diese Woche die erste Hitzewelle des Jahres! Daher ist jeder Schatten hilfreich.
Der Waldweg stellt sich als sehr schön und auch richtig heraus. Später kommen wieder für ein paar Meter zurück auf die Straße um gleich darauf wieder links in den Wald einzubiegen. Dieses Stück haben wir vor 10 Jahren leider ausgelassen, da wir uns verirrt hatten und danach nicht wieder von der Asphaltstraße abweichen wollten.
Bis zur nächsten Ortschaft wandern wir teilweise entlang eines Baches, über Hügel und durch Wiesen gemütlich dahin. In Ritomeče gibt es dann noch eine kurze Schnapspause bevor wir wenige Minuten später nach drei Stunden und 17 Kilometern die Pizzeria für die Mittagspause erreichen. Durch unser zügiges Tempo – es ist erst 11:40 Uhr – müssen wir noch etwas warten, bis sie öffnet. Zum Glück gibt es in Gradišče pri Materiji noch ein zweites Gasthaus, wo wir nach kurzer Wartezeit (=25 Minuten) schon ein erfrischendes Getränk erhalten. Danach geht es aber schnell zurück zur Pizzeria.
Am Nachmittag steht nun der Gipfelsturm auf den 1028 Meter hohen Slavnik (inkl. Gipfelbier von der Pizzeria) an. Es sind zwar nur 500 Höhenmeter, aber die Sonne brennt schon ordentlich herunter und ein paar Kilometer haben wir auch schon in den Beinen.
Als Warmup nach dem Essen, starten wir mit einem zwei Kilometer Marsch entlang der Hauptstraße, bis wir beim „Laško-Man“ wieder in einen Wanderweg abzweigen. Hier ist der Slavnik noch mit 2,5 Stunden Gehzeit angeschrieben. Wir sollten diese Zeit aber etwas unterbieten.
Bald beginnt dann aber die Steigung, die Hitze erreicht ihren Höhenpunkt und wir kämpfen uns Meter für Meter den Berg hinauf. Mittlerweile schwitzen wir schon etwas am Rücken. Und eigentlich überall.
Dann kommen wir aber aus dem Wald heraus, auf die Almwiesen des Gipfelbereichs, sehen den Gipfelsender, die slowenische Flagge und dahinter das erste Mal unser Ziel: Das Meer!
Wir sind erschöpft, aber die Freude ist riesig und die Gehzeit mit 1h 20min passt auch!
Eigentlich wäre hier das Ziel der Tagesetappe gewesen, aber leider hat ein Dachschaden die Übernachtung im Slavnikhaus verhindert. Daher gehen wir nach dem Gipfelbier und einer Fotosession noch ein paar Minuten bergab nach Podgorje.
Dort wartet dann schon unser Host bei der Unterkunft „Pod Slavnikom“, wo wir die einzigen Gäste sind. Sogar der Koch kommt extra für uns, kocht und fährt wieder heim. Da die erste Portion Nudeln nach einer so langen Etappe zu wenig ist, bestellen wir noch einmal und wenige Minuten später kommt der Koch wieder daher. Diesmal scheint er auf Nummer sicher zu gehen und bleibt länger da. Eine Spezialität welche sich Rufus übrigens nicht entgehen lässt, ist ein Bärenbraten (bzw. „Bratenbär“). Angeblich gibt es in Slowenien genug Bären, dass man sie zum Abschuss freigibt und dann – so wie hier – serviert bekommt! Da späht sogar unser Vegetarier Gernot ganz lüstern auf das Bärenfleisch…
Tag 2
Da die heutige Etappe mit nur 21 km und 500 Höhenmetern um einiges kürzer als Tag 1 ist, starten wir ein paar Minuten später. Üblicherweise ist bei unseren Wanderungen Tag 2 der härteste Tag, aber dieses Mal war gestern schon die längste Etappe und die meisten haben es auch gut überstanden. Nur Matzi spürt schon etwas Reibung an den Füßen, will aber auf keinen Fall ein Blasenpflaster verwenden, weil „er es daheim auch nicht braucht und es unbedingt ohne Abpicken schaffen will“. Später sollte sich dies jedoch als Trugschluss herausstellen.
Anfangs geht es flach durch den Wald, danach gibt es zwei Möglichkeiten nach Podpeč zu kommen: Links sind wir vor 10 Jahren gegangen, daher gehen wir heuer die etwas längere und angeblich spannendere Variante nach rechts. Hier überquert man bald eine Zugstrecke, kommt dann in ein kleines Dorf und wieder in den Wald um schlussendlich zum spektakulären Kraški rob (Karst-Rand) zu kommen: Eine kilometerlange Felswand, welche über Podpeč besonders schön zu bestaunen und vor allem bei Kletterern sehr beliebt ist. Rufus war vor wenigen Wochen auch schon da.
Von hier hat man einen Weitblick über das Tal vom Meer im Hintergrund, der Autobahnbrücke, die Kirche von Hrastovlje und überall schlängelt sich die Zugstrecke entlang bis zum Umkehrtunnel am Ende des Tals. Auch wenn man hier den ganzen Tag verweilen könnte, bin ich schon auf den Abstieg nach Podpeč gespannt, weil es doch eher senkrecht hinunter geht.
Tatsächlich ist der Weg großteils mit Seilen versichert, sehr schmal und steil. Man kommt direkt beim Wehrturm (Stolp) vorbei, ehe man ein paar Minuten später, entlang der mit viel Stahl abgesicherten Felswände, im Dorf steht. Viel hat sich hier in den letzten 10 Jahren nicht getan. Damals wurden wir hier noch von der „Wassermutter von Podpeč“ über den öffentlichen Brunnen versorgt. Der Brunnen ist mittlerweile versiegt und sie wird auch schon von oben auf uns herabschauen. Nach einer Gedenkminute geht es weiter bergab und nach einer halben Stunde wieder kurz hinauf nach Hrastovlje, wo wir bei der Kirche mit ihren Wehrmauern wieder eine Pause einlegen. Vor 10 Jahren war uns der Eintritt in die Kirche mit 2€/Person zu teuer, heuer zeigte sich Christoph spendabel und gab eine Runde Kircheneintritt (mittlerweile 3€/Person!) für die Gruppe aus.
Anfangs dachten wir, dass wir nur die Kirche anschauen können, aber es gab sogar eine audio-begleitete Führung über alle Malereien an den Wänden an der Innenseite. Außerdem gab es bei der Kirche etwas „Weihwasser“ in Form von sehr starkem Schnaps zu kaufen und Gernot konnte nicht widerstehen. Passt perfekt für unsere Andachtspausen bei Marterln!
Nach dieser Kulturpause gehen wir weiter in ein kleines Tal, hinauf durch den Ort Kubed bis zu einer Hauptstraße um dann die letzten sechs Kilometer in der prallen Sonne, teils auf Straßen, teils auf kleinen Wegen, bis in den heutigen Zielort Marzige zu meistern. Dort gibt es anfangs eine kühle Erfrischung in Form von Bier und Radler und bald darauf eine Weitere in Form eines Pools bei der Unterkunft! Man gönnt sich ja sonst nichts.
Außer Matzi: Der hat sich mit seiner Strategie ein paar Blasen gegönnt.
Tag 3
Heute müssen wir nur mehr 15 km zum Meer „ausgehen“. Es bleibt also genug Zeit zum Entspannen am Strand. Man ist ja im Urlaub und muss es nicht immer gleich übertreiben.
Nach einem ausgezeichneten Frühstück im „Casa Oasa“, gab es von der Chefin noch einen Guten-Morgen-Schnaps, bevor wir weiterziehen. Heute ist der heißeste Tag und es hat um 9 Uhr früh schon 27°C im Schatten.
Doch Moment! Noch sind nicht alle Abmarschbereit! Gernot und Rufus sind noch nicht da! Wir stehen in der Hitze und warten auf die beiden, doch sie kumman net, kumman net…
Nach der akademischen Viertelstunde geht es aber dann los!
Schnellen Schrittes hinauf nach Pomjan und nach Šmarje, wo die Hälfte des kurzen Tages bereits geschafft ist und wir uns bei einer der wenigen Bars/Restaurants an der Strecke eine Pause gönnen.
Rufus hat wahrscheinlich schon etwas zu viel Sonne abbekommen. Anders kann ich es nicht erklären, dass er in sein eh schon picksüßes Cockta noch eine Packung Zucker gibt, welches daraufhin extrem zu schäumen beginnt, übergeht und sich auf dem halben Tisch ausbreitet. Prost!
Wenig später erreichen wir den Kreisverkehr von Gažon. Vor 10 Jahren haben wir hier, bei der letzten Steigung der Tour, noch einen 200 Meter Sprint hinlegen müssen. Da dies nun Tradition ist, musste es wiederholt werden und schon liefen wir los!
Nach weiteren gemütlichen drei Kilometern auf dem „Höhenweg“, geht es hier rechts angeblich nach Izola. Wir biegen ab und sehen unten schon unseren Zielort.
Hinab und vorbei an Weingärten, über die Autobahn und durch die Vorstadt erreichen wir nun die Altstadt und der Duft des Meeres liegt schon in der Luft. Wenige Meter weiter haben wir es wieder einmal geschafft: Wir sind am Meer!
Nun muss natürlich noch das „Finisherfoto“ von 2013 nachgestellt werden und danach lassen wir den Tag am Strand ausklingen. Das Meer ist leider nicht ganz so schön wie in Kroatien vor zwei Jahren, aber die Kinder haben Spaß und bewerfen sich gegenseitig mit Quallen.
Nach der traditionellen Pizza und einem Eis, können wir auch noch einen kitschigen Sonnenuntergang genießen.
Epilog
Am nächsten Morgen hatten wir bei der Unterkunft kein Frühstück gebucht, aber Rufus machte seine morgendlichen Wartezeiten mit der proaktiven Beschaffung von Frühstück mehr als wieder gut!
Danach ging es mit dem GoOpti-Taxi wieder zurück zur ersten Unterkunft. Hier spielte Google Maps dem Taxifahrer einen Streich und schickte uns die letzten drei Kilometer über einen verwachsenen Feldweg, wodurch die Taxifahrt eher einem Trip im Dschungel glich!
Die Heimfahrt wurde dann noch mit der Befahrung der Strecke des Bergrennens von Ilirska Bistrica und einem Besuch beim Krapfenwirt in Trojane versüßt!
Lieber E6 Weitwanderweg, wir sehen uns in 10 Jahren wieder!
Erkenntnisse
- Blasenpflaster helfen!
- Leichte Rucksäcke (8 statt 15 kg) helfen auch
- …ähnlich wie die vorzeitige Planung von Unterkünften, damit man das Zelt nicht mitschleppen muss und vielleicht sogar einen Pool hat!
- Für Vegetarier kann es in Slowenien manchmal hart sein, vor allem wenn man keine Schwammerl und Fischsuppe mag 🙂
- Wenn man der Navigation von Google Maps blind vertraut, kann es manchmal abenteuerlich werden.