Wenn man an Flitterwochen denkt, hat man eventuell eine einsame Insel mit ewig langem Sandstrand und einem mit Rosen bestreuten Bett in einer Suite eines Fünf-Sterne-Hotels im Kopf. Den ganzen Tag Chillen, Cocktails trinken, massieren lassen… wäre uns aber dann doch zu fad geworden. Daher tauschten wir das Hotel gegen Steinhütten, die Suite gegen ein 6-Bett-Zimmer und das Chillen gegen eine 5-Tages-Wanderung. Immerhin blieb uns noch die einsame Insel und der lange Sandstrand. Der ganze Spaß hat auf der Azoreninsel Santa Maria stattgefunden. Im Bergwelten Magazin haben wir vom GR01SMA, dem Weitwanderweg um die gesamte Insel, gehört. Um die gesamte Insel hört sich jetzt sehr dramatisch an, die Insel ist jedoch mit einer Nord-Süd-Ausdehnung von nur 10 km und 15 km von Osten nach Westen relativ klein. Der Weitwanderweg selbst ist dann 81 km lang.
Nach einer ziemlich brisanten Anreise (Tipp 1: Taschenmesser im Handgepäck kommt nicht so gut an, Tipp 2: Wenn man über Lissabon fliegt mindestens 3 Stunden Umstiegszeit oder besser gleich einen ganzen Tag einplanen) kamen Tanja und ich nicht pünktlich, aber zumindest noch am gleichen Tag am Flughafen Santa Maria nahe der Hauptstadt Vila do Porto (3000 Einwohner, >50% der gesamten Inselbevölkerung) an. An diesem Sonntagabend fand dann im Hafen noch ein Fischerfest statt. Dies sollte jedoch das letzte Mal in den nächsten fünf Tagen sein, dass wir mehr als zehn Menschen auf einmal sehen.
Tag 1
Enge Gässchen von Vila do Porto
Am Vormittag trafen wir Ioannis, quasi „Hüttenwirt“ der vier Steinhütten in denen wir übernachten, im Hostel, wo wir unsere erste Nacht verbracht hatten. 2016 wurden diese von ihm errichtet, nachdem im Jahr zuvor der GR01SMA eröffnet wurde. Da auf der Insel der Tourismus (zum Glück) noch nicht so angekommen ist, brauchte es für diesen Übernachtungsmöglichkeiten. Er hat vier alte Scheunen gekauft und liebevoll renoviert, inkl. Warmwasserduschen, Strom und einer biologischen Toilette mit Sägespänen. Er bringt unser Gepäck in den kommenden Tagen von Hütte zu Hütte. Mit leichtem Rucksack geht es sich doch leichter. Außerdem bringt er uns jeden Tag frisch gekochtes Abendessen und Frühstück. Nachdem wir Schlüssel und Wanderkarte erhalten haben, konnte es dann endlich losgehen!
Wir lassen die Stadt hinter uns und starten in die steppenartige Landschaft des Westens der Insel. Auch hier auf den Azoren hat es diesen Sommer extrem wenig geregnet, obwohl es trotzdem jeden Tag regnet! Vorbei an Ioannis Haus (von außen eine Steinhütte „deluxe“) geht der Weg von flachen Wiesen in eine Steilküste über. Wenig später kommt man an der Höhle „Gruta do Figueiral“ vorbei. Sie ist nicht tief, aber doch interessant.
Auf diesem Teil des Weges trifft man auch noch ein paar andere Wanderer, geht er doch in ca. drei Stunden von der Hauptstadt zum Praia Formosa, dem schönsten Sandstrand der Azoren.
Tiefblick zum ersten Sandstrand
Bald bekommt man auch den ersten Blick auf diesen. Von nun an geht es die Steilküste bergab, bis man an einem kleineren Sandstrand angelangt, welchen man entlang der Küste – abwechselnd Sand und dunkler Vulkanstein – bis zum Praia Formosa folgt. In der Zwischenzeit hat es das erste Mal zu regnen begonnen, gleich wieder aufgehört, wieder begonnen und wieder aufgehört. Anfangs machten wir uns noch die Mühe unsere Regenjacken anzuziehen und den Rucksack zu verhüllen. Meistens zahlt es sich für die kurze Zeit aber nicht aus. Und falls der Regen dann doch einmal intensiv wird, merkt man das eh schnell und sucht sich dann für zehn Minuten ein trockenes Platzerl.
Der Praia Formosa ist schon ein Prachtstrand: Wunderschöner, weicher Sand ohne Steine, Seetang, Algen oder Müll. Außerdem gibt es coole hohe Wellen (eine davon gab mir auch eine richtig gscheide Gnackwatschn), aber man kann trotzdem noch schwimmen. Das einzig Ungewöhnliche für Mitteleuropäer: Es sind keine anderen Leute da. Also man ist nicht komplett allein, aber die 5 bis 6 Hanseln machen den Strand auch nicht voller.
Bevor es ins Wasser geht, gibt es einen kleinen Snack bei einem der beiden Strandrestaurants, wo auch nicht gerade der Bär steppt. Und mit Englisch stehts hier auch nicht so gut. Aber einen Schinken-Käse-Toast erkennt man dann doch auch auf Portugiesisch.
Praia Formosa – Viel Strand und wenig Leute
Nach der verdienten „Abkühlung“ (Wasser: 24°, Luft: 26°) ging es dann weiter zum Schlussanstieg des heutigen Tages, Richtung erster Steinhütte. Ab hier haben wir so gut wie keine anderen Wanderer mehr getroffen. Nach einer Stunde erreichen wir dann die Hütte und unsere Koffer sowie unser Abendessen warteten schon auf uns. Als Extra-Mile ging ich dann noch einen starken Kilometer zum örtlichen Mini-Supermarkt Getränke holen. Bier oder Softdrinks gibt es nämlich in der Hütte keine. Desweiteren sind die meisten Hütten auch nicht so komplett abgelegen, wie es die Fotos auf der Website vermuten lassen. Aber da ja grundsätzlich nicht viele Menschen hier sind, haben wir trotzdem in der Nähe keiner einzigen Hütte Menschen gesehen, nur ein paar Kühe. So wie überall sonst auch.
Die Sonnenstrahlen in der Hütte genießen
Abendessen: Heimischer Eintopf und Zimtbrezen
In der Hütte selbst muss man dann am Abend noch das Bett aufziehen und das Essen warm machen. Das erste Mal einen Gaskocher anzuzünden war nicht schwierig, aber man hat dann doch ein bisschen Angst die ganze Hütte in die Luft zu sprengen.
Kalt wird es übrigens nie. Selbst in der Nacht hatte es bei uns nie weniger als 20°. Die Temperatur in der Hütte war auch immer angenehm.
Tag 2
Am nächsten Tag ging um 7 Uhr der Wecker und es war noch stockfinster. Hier geht die Sonne aber erst spät auf?!
Hab ich schon erwähnt, dass die Azoren 2 Stunden Zeitunterschied zu Österreich haben? Nun, mein Handy hat sich irgendwie um eine Stunde gedrückt und so war es doch erst 6 Uhr. Dies erwies sich für die kommenden Tage aber als gute Weckzeit, denn mit Aufstehen, schnell frühstücken und losgehen ist es hier nicht so. Es ist mehr: Aufstehen, Bett abziehen, Schlafsack zusammenrollen, Gepäck zusammenpacken, frühstücken, Geschirr abwaschen und abtrocknen, Hütte kehren und wischen. Da kommen schnell zwei Stunden zusammen.
Um 8:30 Uhr ging es dann endlich los. Tanja „spürte“ zwar schon ihre Füße, war aber immer noch voll motiviert. Mir ging es ähnlich. Anfangs ging es einige Zeit lange eine Straße bergab, danach zuerst direkt über eine Kuhweide und später hinauf auf einen Hügel mit toller Aussicht. Von hier aus sieht man auch schon in der Ferne den Leuchtturm aufblitzen, der den Südosten der Insel markiert.
Weiter geht es bergab zum Wasserfall „Ribeira do Maloás“, welcher wie erwartet um diese Jahreszeit ausgetrocknet ist. Wer viel Wasser will muss im Frühjahr oder Frühsommer vorbeikommen. Aber auch ohne Wasser ist die Klippe mit ihren Felsformationen sehr eindrucksvoll. Außerdem kann man am Fuße des Wasserfalls in einer grünen Lacke viele kleine Frösche beobachten.
Ribeira do Maloás – hier findet man schöne Felsen und quakende Frösche
Jetzt geht es weg von der Küste Richtung Hinterland, vorbei an einer kleinen Kirche, typischen kleinen weißen Häuschen mit farbig bemalten Ecken und großen Kaminen und Ruinen von Windmühlen. Der Weg verläuft zwischendurch auch über asphaltierte Straßen und wenn alle paar Minuten ein Auto vorbeikommt, wird man freundlich gegrüßt. Die Leute freuen sich scheinbar über (die wenigen) Touristen.
Gerade in dem Moment, wo man sich dann ein bisschen mehr Abwechslung wünscht, kommt man wieder Richtung Steilküste. Und hier geht es richtig steil bergab. So steil, dass man teilweise nicht einmal sieht, wo unten eine Straße entlang gehen soll. Von hier ist nun auch der Leuchtturm von vorhin – „Farol da Maia“ – nicht mehr weit entfernt. Außerdem ist auch schon der Ort Maia mit seinen Weingärten und dem großen Meerwasserschwimmbecken (gibt es dafür ein kürzeres halbwegs deutsches Wort? Meerpool?) zu sehen.
Maia mit Meerwasserschwimmbecken
Nachdem wir einen Abstecher zum Leuchtturm gemacht haben, ging es anfangs die am Hang klebende Straße bergab, bis auf einmal der Wegweiser nach rechts in den Abgrund deutete… Wo ist hier ein Weg? Ah.. der extrem steile, schmale, teils überwucherte Weinbergsteig. Ok! Es wird nicht der letzte Weinbergsteig bleiben… Apropros Weinberg: Mit den exakt parallel verlaufenden Zeilen der mitterleuropäischen Weinberge haben diese eher wenig zu tun. Alles wächst direkt am Boden und muss noch mühevoller als bei uns geerntet werden. Und danach darf es händisch über die Steige ins Tal gebracht werden.
An der Küste angekommen, ist es jetzt Zeit für die Mittagspause im Meerpool – die Wellen krachen hier ordentlich gegen das Becken! – und danach geht es zum Essen ins Restaurant O Grota. Dort empfängt uns eine nette Dame und sagt uns in perfektem English, wir sollten lieber zum nächsten Restaurant gehen, falls wir eine größere Auswahl an Essen haben wollen. Wir sind aber zufrieden und bleiben. Aida hatte – wie viele andere – Santa Maria Richtung USA verlassen. Nachdem ihre Eltern und ihr Mann verstorben sind, ging es nach über 40 Jahren wieder zurück zu ihren Wurzel. Hier versucht sie nun seit kurzem einen Neustart mit dem O Grota. Um das Restaurant zu finanzieren hat sie das alte Steinhäuschen, in der ihr Großvater lebte, mit Wehmut verkauft. Der Käufer war ein uns nicht unbekannter Ioannis, der solche Bauten suchte um sie zu Unterkünften für den GR01SMA zu renovieren. Wir haben die gestrige Nacht in diesem Steinhäuschen verbracht. Auf so einen kleinen Insel ist alles und jeder irgendwie miteinander verbunden.
Bevor es wieder steil durch die Weinberge bergauf geht, wollen wir uns noch den Aveiro Cascade Wasserfall, einem der schönsten Wasserfälle der Insel, ansehen. Wieder führt er nicht viel Wasser. Das wenige Wasser wird vom Wind schon in der Luft verstreut. Im Becken am Fuße des Falls vergnügt sich eine Entenfamilie. Eine schöne Kulisse.
Blick von der Wasserfallkante zu den Weingärten von Maia
Nun geht es aber – ähnlich der gestrigen Schlussetappe – bergauf: 250 Meter über uns liegt irgendwo unsere heutige Unterkunft. Nach einigen mühsamen Minuten durch die Weinberge sind wir dann schon oben und kommen als I-Tüpferl auch bei der Kopfzone des Wasserfalls vorbei. Ab nun führt der Weg wieder ins Hinterland und nach wenigen Meter geht das allgegenwärtige Meeresrauschen wieder in Stille über. Nach insgesamt fünf Stunden erreichen wir Steinhütte Nr. 2, welche nun wirklich, wirklich abgelegen ist. Die Hütte ist etwas größer und hat auch eine Terasse und die Wiese davor eignet sich wunderbar zum Relaxen. Gepäck und Essen sind auch schon da. Außerdem riecht es wieder angenehm nach Sägespänen. Anders gesagt: Wir sind im Paradies!
Unsere abgelegene Hütte am zweiten Tag
Tag 3
Um 8 Uhr geht es los mit der heutigen Etappe zum nördlichsten Teil der Insel. Die Etappen werden immer länger und so warten heute knapp 18 km darauf von uns erobert zu werden!
Anfangs geht es gemütlich durch den verschlafenen Ortskern von Santa Espirito. Kurz darauf stellt sich uns eine ausgebrochene Kuh in den Weg, wir mussten geschickte Ausweichmanöver anwenden. Weiter geht es durch immergrüne Wälder und tief eingeschnittene Hohlwege.
Nach insgesamt zwei Stunden kommen wir zum „Miradouro de São Lourenço“, welcher einen kleinen Leuchtturm und eine wunderschöne Aussicht auf die Bucht von São Lourenço bietet. Bevor es dort hin geht, gibt es aber noch die heutige Dosis Wasserfall. Ungefähr 15 Minuten dauert der Abstecher in ein enges, verwachsenes Tal, das an einen Dschungel erinnert. Am überhängenden Talschluss wartet ein eindrucksvoller Doppelwasserfall. Wir könnten nun genauso gut auch mitten im Amazonas-Regelwald sein. Auf dem Rückweg beginnt es zu Regnen, aber das Dichte Blätterdach hält uns trocken.
Die Wasserfallwand am Talschluss des Dschungels
Nun geht es an einigen Bananenbäumen vorbei, hinunter nach São Lourenço. Dort ist für die Küste die Rote Flagge gehisst, was heißt, man soll nicht ins Meer gehen. Die Wellen sind heute riesig und freiwillig geht hier auch keiner rein. Sogar der Meerpool wird von den Wellen so verschlungen, dass keiner hinein will.
Heute gibt es also leider kein Mittagsbaden. Dafür gibt es im Restaurant Ponta Negra eine Stärkung. Mit seiner Terrasse die gefühlt direkt ins Meer übergeht (auch wenn noch die Straße dazwischen ist), fühle ich mich irgendwie wie in der Raffaello Werbung. Zum Essen gibt es aber heute mein allererstes Thunfischsteak. Und mit einigen Kilometern in den Beinen und diesem Flair schmeckt dieses natürlich fantastisch! Das Mangomousse als Nachspeise war dann noch das I-Tüpferl.
Nachdem sich die Wellen nach dem Essen noch nicht gebessert haben, verabschieden wir uns über die Weinberge von dieser tollen Bucht. Auf dem Weg hinauf treffen wir sogar einige Weinbauern bei der Ernte. Trotz der mühsamen Arbeit sind sie gut gelaunt und lassen uns von ihrer Ernte probieren. Weiter oben treffen wir auf ein älteres deutsches Paar. Sie fragen uns ob wir auch zum Aussichtspunkt oben wollen. Ja, eventuell schon. Und danach auch noch 50 Kilometer weiter um die restliche Insel. „Oh schön, dann sehen wir euch wahrscheinlich am Abend nicht wieder“, sagt sie erstaunt.
Oben angekommen wird es wie am Vortag nach der Klippe wieder still. In meiner OSM-Karte ist eingezeichnet, dass wir bald auf eine LORAN-Station treffen werden. Das alleine wäre schon cool gewesen, dass es sich aber um eine stillgelegte Station mit verlassenen Gebäuden handelt war dann noch eine Draufgabe! Wenn wir nicht noch ein Stück zu wandern und ein Buschmesser für die verwachsenen Gebäude dabei gehabt hätten, könnte man hier sicher länger bleiben. So haben wir nur zwei Gebäude besichtigt.
Gegen Norden wir die Landschaft immer trockener und bald erreichen wir am Ende der Steppe den Leuchtturm, der einen der nördlichsten Punkte der Insel markiert. Nach einigen Minuten am Rande der Steilküste, geht es noch ein paar Meter bergauf zur Hütte Nr. 3. Es befinden sich zwar einige Häuser in der Nähe, die einzigen Bewohner finden sich aber auf den umgebenden Weiden wieder. Beim Abendessen gibt es eine perfekte Kulisse mit Sonnenuntergang. Man hat hier fast einen 270° Blick auf das Meer. Einem perfekten Sonnenaufgang morgen früh sollte nichts im Wege stehen.
Tag 4
Wie jeden Tag läutet der Wecker, wenn es draußen noch stockdunkel ist. Als ich gegen Norden aus dem Fenster schaue, sehe ich ein Licht am Horizont. Anfangs dachte ich es sei ein Schiff oder bereits die größere Insel Sao Miguel. Doch eigentlich habe ich dort den Leuchtturm der Formigas gesehen. Dies ist eine kleine Inselgruppe – von Seefahrern gefürchtet, weil leicht zu übersehen – 37 km nordöstlich von Santa Maria. Der Blick auf den Sonnenaufgang wird mir dann aber von Regenwolken über dem Atlantik verwehrt.
Nachdem Frühstück und dem täglichen Hüttenputz sind wir bereit für die einzig richtige Bergetappe auf dem gesamten Weg. Es geht auf den mit 587 Metern höchsten Gipfel der Insel, welcher den Namen „Pico Alto“ trägt, was nicht anderes als „Hoher Berg“ heißt. Zumindest ist er mit seinem grünen Gipfel und seinen Antennen sehr markant.
Nach einer guten Stunde erreichen wir mit Santa Barbara den einzigen „größeren“ (400 Einwohner) Ort des Tages. Zumindest gibt es hier ein Cafe und einen Minimarkt. Nach einer kurzen Stärkung geht es weiter zum Poço da Pedreira, einem alten Steinbruch mit schönen Felsformationen und einem kleinen See. Danach geht es bergab und wir kommen zum Doppelwasserfall vom Vortag, diesmal aber von oben. Man könnte nun steil bergab zur Wasserfallkante gehen und auch etwas darüberschauen, aber das ist uns dann doch etwas zu gefährlich.
Die Wasserfall am Talschluss des Dschungels von oben
Von nun an geht es stetig bergauf Richtung Gipfel. Dieser ist zwar öfters in Sicht, aber wie Tanja einmal leicht verzweifelt feststellen musste, noch nicht ganz so nah wie erhofft.
Die Landschaft wird immer steiler und sobald man in den Urwald des Gipfelbereichs eingetaucht ist, sieht man am Wegrand eine dominant gelbe Pflanze. Der Schmetterlingsingwer wurde vor vielen Jahren auf die Azoren als Zierpflanze aus dem Himalaya eingeschleppt und hat sich seitdem überall ausgebreitet.
Nachdem uns ein Regenguss kurz aufhielt, kommen wir zum Gipfel und auch hier oben sind wir ganz alleine! Auch wenn wir den Eintopf am Vortag nicht ganz aufgegessen hatten, so verziehen sich die Wolken und wir haben einen 360° Blick über das Eiland. Auch unser Tagesziel ist von hier gut zu erkennen. Jetzt nur mehr den langen Bergrücken hinunter, dann sind wir schon wieder am Ziel!
Der Gipfelbereich des Pico Alto mit seinen Antennen
Ein Regenschauer zieht über einen Teil der Insel
Da es am Gipfel keine gute Sitzmöglichkeit gab, verschoben wir die Jause auf den eine Stunde nördlich gelegenen Nebengipfel. Ein Regenschauer gab uns dann den Befehl weiter zu gehen. In meiner OSM-App war nun bald eine Berghütte eingezeichnet und ich war gespannt was uns dort erwarten wird. Dort angekommen fanden wir dann – wie hätte es anders sein sollen – ein verfallenes Haus. Von nun an führt eine Forststraße zurück in die „Zivilisation“, wo wir dann nach fünf Stunden Gehzeit auch die letzte und mit Abstand größte Hütte der Reise erreichen. Da wir nur eine kurze Mittagspause hatten, war unser Gepäck auch noch nicht da. Aber auf Ioannis ist wie immer Verlass und nur 15 Minuten nach unserer Ankunft trifft er ein und bringt uns unser Gepäck, Essen und frisch gepflückte Feigen. Außerdem teilt er uns mit, dass sich nur 15 Minuten entfernt und 150 Meter tiefer eine kleine Bucht befindet.
Einige Minuten später waren wir dann in der Bucht und wieder ganz alleine. Umgeben von Ruinen von Bauernhäusern und alten Weingärten eignet sich der Felsstrand aber leider nicht besonders gut zum Baden. Zum entspannen reicht es aber allemal.
Zurück in der Hütte gibt es am heutigen letzten Tag Fischsuppe. Mahlzeit!
Tag 5
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge verlassen wir die letzte Hütte. Die Hütten war alle toll, aber nach vier Hüttenübernachtungen freut man sich dann doch wieder auf ein richtiges Zimmer und das morgendliche Abwaschen und Putzen werde ich auch nicht besonders vermissen.
Der heutige Tag ist mit 23 km der Längste, hat aber dafür fast keine Steigung, da man gefühlt nur eine Runde um den Flughafen dreht. Dieser nimmt nämlich fast die gesamte Westküste der Insel ein. Aber zum Glück nur gefühlt, anfangs wandert man nämlich durch die kleine rote Wüste „Barreiro da Faneca“. Danach wird die Landschaft steppenartiger und eintöniger. Nach einigen unspektakulären Kilometern erreichen wir das Dorf Anjos. Das dortige Meerwasserbecken leistet willkommene Abwechslung sowie Abkühlung und in der Beachbar holen wir uns die nötige Kraft für die letzten 15 Kilometer.
Die rote Wüste „Barreiro da Faneca“
Verlassenes Haus Richtung Anjos
Man könnte die Runde nun auch vor dem Flughafen abkürzen und direkt zum Hotel gehen, aber dann ist man die Runde ja nicht fertig gegangen. Also durchbeißen.
Der Weg verläuft leicht unterhalb des Niveaus des Flughafens, wodurch man weder richtig zum Flughafen, noch irgendwo anders hinsieht. Bald geht man auch nicht mehr auf einem Weg sondern nur noch auf einen trockenen Wiese. Das ändert sich die nächsten zwei Stunden dann auch nicht. Und genau in diesen zwei Stunden habe ich wahrscheinlich irgendwo und irgendwie meinen Ehering verloren. Dadurch haben die Azoren zumindest ein kleines Andenken an uns.
Weg um den Flughafen: Wenn man ihn auslässt, hätte man auch nichts versäumt
Die Eintönigkeit wird mit einem kurzen Abstecher zum Strand beendet und gleich darauf kommt man auch schon zum letzten Leuchtturm am Südkap vor Vila do Porto. Und dann ginge es auch schon wieder zurück in die Hauptstadt zum Ende der Grande Rota 01 Santa Maria!
Wir gehen allerdings noch ein bisschen weiter in den Ortsteil Aeroporto zum Hotel Santa Maria am Flughafen. Dann aber nach 5:30 Stunden reiner Gehzeit sind wir am Tagesziel und am Ende unserer Mehrtageswanderung angekommen! We did it!!!
Zusammenfassung
- 5 Tage, Gehzeit 4 – 6:30 Stunden pro Tag
- 88 km
- 3500 Höhenmeter
- Unterkunft (Steinhütten): ilhape.com
PS: Wir verbrachten dann aber noch eine weitere Woche auf São Miguel in einem richten Hotel. Ein bisschen Relaxen muss schon sein 😉