Da die heurige Wanderung traditionell nicht ans Meer, sondern in die Berge geht, war es ein sehr guter Zufall, dass mir vor einigen Monaten mein Arbeitskollege Erik den sogenannten “Stoneman Dolomiti Hike” in Südtirol empfahl. Der “Stoneman” ist eigentlich eine Serie von längeren Mountainbike-Touren, welche in einem (gold), zwei (silber) oder drei (bronze) Tagen zu bewältigen sind. Es ist kein Rennen an einem gewissen Datum, sondern eine Art persönliche Herausforderung, welche den ganzen Sommer über gemeistert werden kann.
Man erwirbt dabei ein Starterpaket mit Stempelkarte, welche dann bei, auf der Strecke verteilten, Checkpoints zu markieren ist. Dieses Paket ist bei gewissen Tourismusbetrieben erhältlich und auch wieder dort abzugeben. Wenn man es schafft, bekommt man einen Eintrag auf der Stoneman-Website und optional eine Trophäe. Neben den Mountainbike-Touren gibt es auch eine Rennrad-Variante und eben die Wander-Variante welche uns am meisten interessierte.
Die Eckdaten der “Hike”-Strecke waren auf den ersten Blick schon etwas herausfordernd: 56 km mit insgesamt 3350 Höhenmetern, mit bis zu 1500 hm an einem Tag!
Anfangs habe ich die Route aufgrund der Länge und der Höhe nur zum Spaß vorgeschlagen, aber wie üblich darf man in der CHD07-Gruppe keine Tour “nur zum Spaß vorschlagen”. Denn wenn einmal Blut geleckt wurde, ist alles fix und Abkürzungen sind sowieso verboten. Zumindest wurde es am Ende „nur“ die Drei-Tages-Version. Dabei hat man auch genug Zeit zum Einkehren bei Hütten.
Und so begab sich die “Gruppe der Spazierung” auf ihr nächstes Abenteuer!
Heuer dabei waren Christoph (aka “Der Zusatzgipfel-Planer”), Gernot, Matzi, Niklas und – das erste Mal – Andi Mili! Eigentlich wäre auch Rufus, dabei gewesen, welcher aber durch Corona verhindert war.
Um am Montag so früh wie möglich zu starten, war die Anreise wieder am Vortag. Nachdem wir in Sillian unser Starterpaket abgeholt hatten, ging es weiter zu unserer Unterkunft in Toblach. Beim Ausräumen aus dem Auto kam dabei der Schreckensmoment für Gernot: Wo sind denn die Wanderschuhe? In seiner Eile hat er sie durch eine Verkettung unglücklicher Ereignisse zu Hause vergessen. Müssen wir nun alles abbrechen? Als Glück im Unglück hatte Andi als zweites Paar Trailrunning-Schuhe in der selben Größe wie Gernot an. Problem gelöst!
Danach ging es zum Checkin in unsere Unterkunft. Unser Gastgeber war dabei ein netter, älterer Herr mit ruhiger, etwas langsamerer Stimme. Während wir bei der Rezeption warteten, entdeckten wir eine Urkunde über eine 50-jährige Tätigkeit in der Gastwirtschaft. Datiert mit 1980. Erstaunt stellten wir fest, dass der Herr, laut Dokument war sein Name Klemsi, wohl schon mindestens 110 Jahre alt sein müsste! Vielleicht war dies aber auch sein Vater. Für uns war der Herr aber die ganze Tour lang auf jeden Fall Klemsi.
Als Stärkung für den nächsten Tag gönnten wir uns dann noch eine Pizza und gingen zu Bett.
Tag 1: Hochhorn (2623 m) und Bonner Hütte (2340 m)
07:00 Uhr. Direkt neben unserer Unterkunft steht die mächtige Pfarrkirche von Doblach und läutet uns aus dem Schlaf. Ein Blick aus dem Fenster zeigt beste Verhältnisse: Wolkenloser Himmel, angenehm kühle Frühtemperaturen und unsere Tagesziele waren vom Zimmer aus auch schon ersichtlich! Da unsere Unterkunft in Toblach liegt, haben wir uns übrigens entschieden den ersten Teil der offiziellen Tour etwas zu adaptieren. Höhenmeter oder gar Checkpoints werden dabei aber natürlich keine ausgelassen.
Nach einem ausgiebigem Frühstück war um 09:00 Uhr Abmarsch. Das Hochhorn war von Toblach aus mit 4h 30min Gehzeit angegeben. Danach ging es noch gemütlich zur Bonner Hütte hinunter, wo wir heute übernachten werden. Unser Zusatzgipfelbeauftrager hat neben dem Golfen (2493 m), wo der erste Checkpoint der Tour wartete, das Gaishörndl (2615 m) und auch das Toblacher Pfannhorn (2663 m), wo wir auch am nächsten Morgen hingehen werden, auf dem Schirm.
Anfangs geht es gemütlich beim Friedhof und nahe der Skisprungschanzen auf einer Asphaltstraße Richtung Ortsteil Wahlen. Bald wird die Straße enger und beginnt leicht zu steigen. Dann kommt man zu einer Abzweigung wo man rechts zum Marchkinkele und links zum Hochhorn weitergeht. Wir biegen links ab, gehen nun anfangs auf einer steileren Schotterstraße und danach durch einen Waldweg stetig steigend Richtung „Ortsteil“ Frondeigen. Hier gewinnt man in Serpentinen und vorbei an großen Höfen schnell an Höhenmetern. Hier scheinen die Menschen übrigens noch sehr gläubig zu sein, denn so ziemlich jeder Hof hat eine eigene Hofkapelle und alle paar Meter stehen Marterl neben dem Weg. Da wir immer noch den kroatischen Schnaps der Vorjahreswanderung im Gepäck haben, machen wir es uns zur Regel bei jeder Art von Kreuz einen Gedenk- und Stärkungsschluck einzunehmen.
Obwohl der Stoneman Dolomiti über Hochhorn und Pfannhorn führt, liegen diese nicht direkt in den Dolomiten, sondern zählen zu den Villgratner Bergen. Dies ist optisch unschwer zu erkennen, da sie mehr oder weniger bis zum Gipfel bewachsen sind. Sie mögen daher „weniger attraktiv“ wirken, doch man sollte sie nicht unterschätzen: Erstens sind es doch 1400 Höhenmeter im Anstieg und zweitens bieten diese Berge einen gewaltig schönen Ausblick auf die Dolomiten!
Mit jedem Höhenmeter wird der Ausblick besser und weiter. Nach Frondeigen geht es in flottem Tempo anfangs durch den Wald und später über Almen und dann am Grat entlang zum ersten Checkpoint am Golfen. Schon etwas erschöpft, aber stolz wird das erste Loch in den Stoneman-Pass gestanzt und gleich darauf die erste richtige Jausenpause eingelegt.
Während wir die Natur genießen, taucht auf einmal wie aus dem Nichts eine Gestalt auf und spricht uns in fremden Zungen an. Etwas paff sagen wir dann: „Deutsch?“.
Es stellte sich heraus, dass die Gestalt ein Almhalter ist und etwas Hilfe beim Transportieren von Holzstipfeln benötigt. Wir wissen nicht, wie er diese bis fast auf den Gipfel transportierte, aber Gernot sprang sofort auf und kurze Zeit später war die Aufgabe erledigt und der Mann bedankte sich.
Für uns geht es nun auch weiter und eine halbe Stunde später, nach einem kurzen, aber giftigen Schlussanstieg, kommen wir auf dem Hochhorn an. Hier genießen wir ein 360° Panorama der Sonderklasse: Großvenediger und Großglockner im Norden, Ortler und Wildspitze im Westen und auch das erste Mal die Drei Zinnen sind zu erkennen bzw. zumindest zu erahnen.
Nach Gipfel Nr. 2 geht es einige Meter bergab um einige Minuten später noch das Gaishörndl mitzunehmen. Hier geht der Weg auch das erste Mal vorbei an Militärruinen, welche auf diesem Bergkamm immer wieder zu bestaunen sind. Ein Teil der Gruppe hat noch immer nicht genug für heute und will nun auch noch das Toblacher Pfannhorn bezwingen. Für Andi und mich sind es genug Höhenmeter für heute und wir gehen beim Pfanntörl hinab ins Kar. Eine halbe Stunde später erreichen wir die Bonner Hütte und gönnen uns auf der Terasse eine Erfrischung.
Bald kommen wir mit dem freundlichen und gemütlichen Wirt Alfred Stoll ins Gespräch und er erzählt uns von der Geschichte der Hütte. 1897 wurde sie vom Alpenverein gebaut, danach im Krieg von den Italienern enteignet und bis 1971 von Grenzposten benutzt. Später stand sie leer, bis sie von der Gemeinde Toblach übernommen wurde. Alfred Stoll pachtete die Ruine und erneuerte die Hütte mit viel Herzblut. 15 Jahre später ist er immer noch sichtlich zufrieden und wir dankbar, dass wir hier übernachten dürfen. Die Hütte gehört nun übrigens keinem alpinen Verein an. Daher ist es dann später mit der Nachtruhe auch nicht so genau.
Außerdem erwähnt der Wirt, dass es in der Nacht frisch werden wird: Es soll auf 3°C abkühlen!
Davor gönnen wir uns – mittlerweile ist die Gruppe wieder vereint – aber noch das Abendessen, welches komplett vegetarisch ausfällt! Die Wirtsleute erklären, dass Fleisch hier heroben nicht so gut lagerbar ist und man daher eher zu vegetarischen Speisen tendiert. Es gibt aber auch einige Fleischgerichte auf der Karte.
Während ich die drei Gänge genieße, höre ich am Nebentisch den Wirt erzählen, dass es heute Nacht kalt werden soll. Nur 2°C wird es morgen früh haben!
Nun geht die Sonne unter und die Natur setzt zu ihrem täglichen Schauspiel an: Nicht überraschend, spielen die Dolomiten die Hauptrolle und die Terrasse der Bonner Hütte dient als Tribüne. Noch ein letztes Mal wird die große Zinne beleuchtet, danach ist die Vorstellung zu Ende. Nur die Glocken der Kühe sind immer noch zu hören.
In der Hütte lassen wir nun bei einer Runde Wizard den Abend ausklingen. Plötzlich sind laut Kuhglocken zu hören, die Wirtin springt auf und fragt sich ob nicht schon wieder eine Kuh auf der Terrasse steht. Doch wir können schnell beruhigen, denn wir haben nur gerade ein Video des Sonnenuntergangs angeschaut… wo eben die Glocken zu hören sind.
Ich höre den Wirt schon wieder über die Temperatur morgen früh reden. Bevor wir Minusgrade erreichen gehe ich lieber schlafen. Gute Nacht!
Tag 2: Toblacher Pfannhorn (2663 m) & Strickberg
Der Wecker klingelt. Wir schauen auf die Uhr: 05:15 Uhr. Ein Blick aus dem Fenster: Es dämmert. Im Halbschlaf geht es raus auf die Terasse. Der Wirt hatte mit den 3°C recht. So wird man zumindest schneller munter. Im Tal hängen dünne Nebenwolken, ansonsten ist es wolkenlos. Es ist angerichtet.
Wenige Minuten später startet die Morgenvorstellung und die Bergspitzen färben sich mehr und mehr rot ein. Dafür steht man gerne früh auf.
Da wir am Vortag schon gegen 16:00 Uhr das Tagesziel erreicht hatten und die heutige Tour gemütlicher werden sollte, mussten wir uns auch mit dem Frühstück keinen Stress machen und gingen es gemütlich an.
Plötzlich öffnete sich die Hüttentür und unser Almhalter trat herein. Er erkannte Gernot und uns gleich wieder, spendierte unserer ganzen Gruppe eine Runde Morgenbier und war kurze Zeit später auch schon wieder weg. Da staunten die Deutschen auf dem Nebentisch nicht schlecht!
Um 09:45 Uhr verabschiedeten wir uns und starteten sogleich in den ersten Gipfelanstieg: 300 Höhenmeter zum Toblacher Pfannhorn!
Nach diesem Warmup ging es nun gemütlich in leichtem auf und ab der österreichisch-italienischen Grenze entlang zur Marchhütte und dem kleinen Marchkinkele-Gipfel (2545 m). Das spannende an dieser Hütte ist, dass sie aus umgebauten und renovierten Militärkasernen besteht und erst 2021 eröffnet wurde! Durch die Erreichbarkeit über eine Schotterstraße wimmelt es hier heroben nur so von E-Bikern. Ein Hüttenfeeling wie auf der Bonnerhütte kommt hier nicht so auf.
Nach einem Pasta-Lunch verläuft die Strecke flach zum Strickberg wo der heutige Checkpoint wartet. Kurz nach dem Gipfel sehe ich das erste Mal ein Murmeltier in freier Wildbahn!
Der angenehme Teil der heutigen Etappe ist nun vorbei, ab nun geht es wild bergab! Parallel zu den Serpentinen der Schotterstraße geht ein steiler Wanderweg. Einige Zeit später erreichen wir die Waldgrenze und bald darauf kommen wir bei der Silvester-Kapelle an, welche versteckt mitten im Wald liegt.
Weiter geht es jetzt auf einer Forststraße.
Wir erklären Andi, dass hier quasi die üblichen Verhältnisse einer CDH07-Wanderung gegeben sind: breite Forststraße, links Wald, rechts Wald, wenig Aussicht, Sonnenschein, heiß und wenig Schatten.
Dann mache ich einen Fehler und sage „nur das Tempo ist normalerweise etwas flotter“. Und weil wir noch einige Kilometer zu gehen haben, wird jetzt die Schrittgeschwindigkeit erhöht. Matzi und ich gehen schon schnell und bald ist Andi hinter uns nicht mehr sichtbar. Ganz ernst nehmen es aber Gernot und Christoph, welche auf dieser Rallye-Etappe fast schon laufen. Zwischendurch schaue ich auf meine Uhr und sehe einen Pace von knapp unter 9:00 min/km und das, obwohl es leicht steigt. Nach etwa 1,5 km ist die Sprintetappe aber wieder vorbei. Von nun an geht es gemütlicher dahin, bald biegen wir vom Forstweg wieder auf einen Wanderweg ab und wenig später gönnen wir uns bei der Lachwiesenhütte wieder einmal eine Erfrischung.
„Nur noch bergab“ wandern wir dann die letzten 3,5 km weiter zu unserem Ziel ins Ortszentrum von Toblach. Man könnte einen Asphaltweg gehen, aber wir haben auf der Karte einen schmalen Waldweg gefunden und biegen daher ab. Plötzlich erkennen wir Hindernisse und Schanzen auf dem Weg und bemerken, dass wir in eine Mountainbike Downhill Strecke geraten sind! Glücklicherweise (für uns!) scheint sie in einem schlechten Zustand zu sein und so brauchen wir uns nicht vor einem Angriff von hinten zu fürchten. Wenige Minuten später kommen wir dann in Toblach an.
Zurück in der Unterkunft fragt uns unser Hausherr wie die Wanderung so war. Ich antworte: „Sehr schön, aber auch sehr anstrengend!“. „Aber das wolltet ihr doch eh, oder?“ war seine einfache Antwort. Wo er recht hat…
Nun gönnen wir uns zur Abwechslung wieder einmal eine Pizza und überlegen uns dabei wie die morgige offizielle Schlussetappe um Zusatzgipfel erweitert werden kann…
Tag 3: Sarlkofel (2378 m)
Um 07:30 Uhr gibt es wieder Frühstück und wir sind voll motiviert für den Tag. Die Strapazen der ersten Etappen sind überstanden, ich bin noch blasenfrei und die Knie scheinen auch zu halten. Heute sind noch einmal 1200 Höhenmeter und knapp 18 km am Plan.
Während wir essen, kommt Klemsi und fragt uns über unsere Tour aus. Da der Start der eigentlichen Wanderung nicht direkt im Ort, sondern fünf Kilometer entfernt am Ende des Toblacher Sees liegt, fragt er uns, wo wir unser Auto parken.
Ich dann: „Wir lassen unser Auto dort, wo es jetzt ist.“ (Anmerkung: 200 Meter neben der Unterkunft).
Klemsi: „Ah, fährt ihr dann mit dem Bus hin? Es gibt da einen super Tälerbus!“
Ich: „Nein.“
Klemsi: „Wie kommt ihr dann sonst hin?“
Ich. „Wir gehen zu Fuß. Die Tour will es so.“
Sein Blick und seine resignierende Geste darauf waren göttlich. Aber mittlerweile sollte er uns eh schon kennen.
Während wir noch immer frühstücken, geht er mit Andi raus ins Freie und zeigt ihm den Berg. Außerdem teilt er ihm mit, dass wir genug zu trinken mitnehmen sollen, denn es handelt sich hier scheinbar um eine besonders wasserarme Gegend!
Da wir heute Abend wieder hierher zurück kommen, können wir mit einem extrem leichten Rucksack (aber mit drei Liter Wasser!) losstarten.
Anfangs geht es von Toblach vorbei an vielen Hotels nach Neu-Toblach, vorbei am nordischen Zentrum und entlang des Sees bis der Weg rechts Richtung Sarlkofel / Sarlhütte abzweigt.
Bei der Recherche gestern fanden wir zwei Google Bewertungen für den Abschnitt bis zur Sarlhütte:
- „Sehr steiler Weg hoch zur Sarlalpe. Etwa durchgehend 18% Steigung.“
- „Sehr steiler Zuweg.“
Na gut. Dann schauen wir uns das mal an! Der Weg scheint breit genug für Autos und beginnt sehr bald zu steigen. Wenige Meter weiter geht es dann schon richtig zur Sache. Die Sonne brennt schon gut her, aber der Weg ist noch teilweise im Wald und man findet immer genug Schatten. Es wird immer steiler und steiler. Bald ist der Weg so steil, dass Pflastersteine gelegt wurden, damit Fahrzeuge hier noch fahren können. Es ist so steil, dass man mit der Ferse nicht mehr auf den Boden kommt … und plötzlich überholt uns eine Bergläuferin ganz gemütlich. Ohne Rucksack ist es ja einfach sagen wir uns und wissen genau, dass es nicht so ist. Ganz objektiv machten aber auch wir schnell Höhenmeter: In 40 Minuten ganze 400 Höhenmeter!
Völlig überraschend finden sich am Weg immer wieder kleine Bäche und als wir kurz vor der Sarlhütte ins Almgebiet kommen, müssen wir einen glasklaren, rauschenden Wildbach überqueren. Bei der Hütte angekommen gibt es einen Brunnen mit Trinkwasser, aber auch mit Bierflaschen (freiwillige Spende)! Wie war das mit der wasserarmen Gegend? Anscheinend muss es in den letzten Tagen viel geregnet haben…
Auf gemütlichen Liegestühlen genießen wir nun die Pause und den Moment. Man hört nur das Rauschen des Baches, sieht nur die Alm, Wald und die Berge herum und fühlt nur die warme Sonne auf der Haut.
Die Hälfte der Höhenmeter bis zum Sarlsattel (2229 m), unserem letzten Checkpoint des Stoneman, sind geschafft. Anfangs geht der Weg immer noch steil weiter, wird aber Richtung Sarltörl zunehmend flacher und als man aus dem Wald herauskommt, eröffnen sich große Almflächen mit einem unglaublichen Blick zum Dürrenstein im Süden. Dieser ist mit seinen über 2800 Metern dann doch zu viel für einen Zusatzgipfel. Ewig Schade!
Stichwort Zusatzgipfel: Der Sarlsattel befindet sich zwischen zwei aussichtsreichen Gipfeln: Dem spektakulär nach Westen abfallenden Lungkofel (2282 m) und dem etwas höheren Sarlkofel.
Die anderen wollen unbedingt beide Gipfel erklimmen, mir reicht aber der Sarlkofel. Nach einem etwas gemütlicherem Abschnitt über die Alm und kurz vor dem Sattel, trennen sich dann für kurze Zeit unsere Wege: Währen die anderen zum Lungkofel abzweigen, gehe ich direkt zum Sattel weiter.
Dort angekommen sehe ich, wie der Rest der Gruppe in Serpentinen aufsteigend, dem Gipfelkreuz immer näher kommt.
Am Sattel hat man die Möglichkeit entweder ins Tal abzusteigen oder, wie ich, die letzten 150 Höhenmeter zum Sarlkofel in Angriff zu nehmen. Diese haben es dann in sich: Gleich nach ein paar Metern wird der Steig zunehmend ausgesetzter. Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind hier Pflicht! Von Süden sieht der Berg eigentlich recht angenehm grün bewachsen aus. Dessen Steilheit sieht man ihm anfangs nicht an.
Abwechselnd sind es nun leichte Kletterpassagen und normale Wanderwege. Einige Minuten später erreiche ich den Gipfel, welcher nach Norden hin schroff abfällt.
Der Berg wird nicht umsonst „Aussichtsbalkon der Dolomiten“ genannt. Das Panorama rund um den Dürrenstein im Süden und dem Pustertal im Norden ist den Aufstieg auf jeden Fall wert!
Einige Minuten später ist dann Gernot alleine auf dem Steig zu erkennen. Am Gipfel meint er dann, er wollte mich einholen. So langsam bin ich dann auch wieder nicht! Bald darauf kommen dann auch die anderen.
Während der Jause diskutieren wir den weiteren Verlauf des Tages. Da jetzt alle Checkpoints erreicht waren, müssen wir zu einer der Ausgabestellen des Stoneman kommen. Ursprünglich war es geplant, heute Abend mit dem Auto z.B. nach Sexten zu fahren. Da wir aber noch motiviert sind, wollen wir über Niederdorf, wo wir beim Tourismusbüro unseren Stoneman-Pass abgeben können, zurück nach Toblach gehen. Es sind ja „nur“ sechs Kilometer Umweg. Außerdem kommen wir so noch bei der Putzalm vorbei.
Auf zum Abstieg! Ab dem Sattel ist der Weg sehr geröllig, aber mit Stöcken doch gut und schnell zu meistern. Bald biegen wir links ab und nach 15 Minuten durch den Wald kommen wir bei besagter Putzalm an. Da sich die Gruppe etwas aufgeteilt hat, kommen anfangs nur Andi und ich, danach Matzi und Christoph und zu guter Letzt auch Gernot. Jedes Mal wenn die Kellnerin zu unserem Tisch geht, sitzt wieder einer mehr da. Darauf sagt sie dann lächelnd: „Das ist ja wie bei den zehn kleinen Negerleins, die werden ja auch immer mehr“! Hier heroben nimmt man es mit der politischen Korrektheit halt noch nicht so genau.
Weiter folgen wir nun einem steilen Forstweg bergab. Dann können wir uns beim Kalkbründl wieder erfrischen, bevor es weiter gemütlich die letzten zwei Kilometer nach Niederdorf geht. Wir kommen aus dem Wald heraus und sehen schon die Kirche. Jetzt nehmen wir aber nicht den direkten Weg, sondern eine „Abkürzung“ durch den Wald um noch ein paar zusätzliche Höhenmeter mitzunehmen.
Nach einer kurzen Baummedition („Hug the tree“) geht es nun aber wirklich zum Bahnhof, wo das Tourismusbüro untergebracht ist.
Jetzt wird die verdiente Belohnung stolz entgegen genommen: Für uns ist es zwar keine „silberne Leistungsnadel mit Band„, aber ein bronzener Stoneman-Stein mit Trophäensockel. Und der „Unkostenbeitrag“ sind nicht 50 Schilling, sondern 40 Euro. (Ich weiß, man hat Geld schon mal für sinnvollere Dinge ausgegeben.)
Der Stoneman ist geschafft! Aber bei der Unterkunft sind wir jetzt noch nicht. Daher begeben wir uns noch auf den fünf Kilometer langen „Abendspaziergang“ nach Toblach, wo zum Abschluss auch noch ein Eis auf uns wartet!
Tag 4: Überraschungsetappe um die Drei Zinnen und auf den Patternkofel (2744 m)
Es ist noch nicht vorbei! Bevor es nach Hause geht, habe ich noch eine Zusatzetappe eingeplant, welche ich den anderen erst zu Beginn der Tour verriet.
Als uns Klemsi wieder einmal über die heutige Tour ausfragt, erzähle ich ihm, dass wir den Drei-Zinnen-Rundweg gehen werden. Erleichtert denkt er sich, dass wir nun endlich zur Vernunft gekommen sind.
Dann fahre ich fort: „… und ab der Drei-Zinnen-Hütte geht es durch Kriegsstollen und über den Innerkofler-Klettersteig (B/C) auf den Gipfel des Patternkofel“.
Er denkt sich seinen Teil, wir bedanken uns und reisen ab.
Weil der Parkplatz am Fuße der Zinnen angeblich immer sehr schnell voll ist und man danach nicht mehr mit dem Auto hinauffahren kann, stehen wir schon um 07:45 Uhr bei der Mautstelle. Kein Verkehr, kein Problem und kurze Zeit später sind wir beim Parkplatz angekommen.
Hier heroben herrscht keine Bergidylle, sondern der Massentourismus: Hunderte Autos haben hier Platz, Menschen (Wanderer kann man sie nicht nennen) gehen mit jeglicher „Ausrüstung“ die „Autobahn“ Richtung Lavaredo-Hütte und weiter zur Drei-Zinnen-Hütte.
Wir entgehen der Masse vorerst, indem wir den Rundweg in die umgekehrte Richtung starten und treffen auf den ersten Minuten keine Menschenseele. Der Rundweg um die drei Zinnen ist für erfahrene Wanderer relativ kurz und auch nicht besonders anspruchsvoll: 9 km / 450 hm / 4 Stunden.
Nach kurzer Zeit hat man die Zinnen von der berühmten Nordseite im Blick. Wunderschön, aber andere Berge sind ebenso einladend.
Die meiste Zeit geht es auf der Hochebene relativ flach dahin, bis man in eine Scharte zuerst ab und danach gleich wieder aufstiegt und weniger später bei der Drei-Zinnen-Hütte herauskommt. Es ist 09:30 Uhr und die Hütte sperrt erst um 11 Uhr auf. Es sind schon dutzende Leute hier. Die Hüttenwirte, wollen wahrscheinlich auch mal ihre Ruhe.
Gleich neben der Hütte wäre der Einstieg zu den Stollen und weiter zum Klettersteig, aber aufziehender Regen zwingt uns zum Warten. Heute ist es bewölkt und wir wissen nicht ob es überhaupt noch etwas werden wird…
Nach einer Stunde bessert sich das Wetter aber zum Glück und wir können die Tour fortsetzen.
Mit Klettersteigset und Stirnlampe ausgerüstet geht es in die dunklen Gänge. Oft muss man gebückt gehen, aber meist ist der Stollen hoch genug. Alle paar Meter kommt man aus dem Berg heraus und kann die Aussicht genießen. Dann macht man über viele, viele Stufen Höhenmeter und kommt ans Ende der Stollen, wo der eigentliche Klettersteig beginnt. Der Steig selbst ist nicht besonders schwierig, aber oft ausgesetzt. Nach etwas Wartezeit bei einem Stau, geht es weiter hinauf zur Gamsscharte, wo später der Abstieg erfolgen wird. Da wir aber noch nicht am Gipfel sind, geht es noch weiter hinauf.
Nach einem letzten Kletterstück endet die Seilversicherung. Der letzte Teil ist dann großteils Gehgelände. Hier denkt Matzi einmal kurz nicht mit, kommt vom Weg ab und wäre fast auf dem falschen Weg weitergeklettert. Zum Glück drehen wir doch noch rechtzeitig um und finden den richtigen Weg.
Einige Minuten später kommen wir auf den Gipfel, wo man spektakulär auf die Zinnen blickt!
Durch das Geröll wird der folgende Abstieg fast spannender als der Aufstieg. Bei der Gamsscharte wählen wir nun den Weg zur Passportenscharte. Dieser ist aber nur mäßig gut markiert und im steilen Schutt unangenehm zu gehen.
Irgendwann erkennen wir, dass wir vom markierten Weg abgekommen sind und wir viel zu weit unter der Passportenscharte sind. Wir entscheiden uns daher weiter den unmarkierten Weg zu gehen, denn weiter unten kommen wir zu einem anderen Wanderweg dazu. Als „Strafe“ für den Umweg kommen jetzt auch noch 150 Höhenmeter und leichter Regen dazu. Als „Belohnung“ ist hier dafür nichts los.
Bald kommen wir aber wieder zurück auf die „Autobahn“, den Massentourismus und zur Lavaredo-Hütte, wo wir Mittagessen. Danach gehen wir mit der Menge zurück zum Parkplatz und treten die Heimreise an.
Zusammenfassung
- 4 Tage (3 Tage Stoneman + Zusatzetappe)
- 75 km
- 4400 Höhenmeter
- ca. 19 Stunden Gehzeit
Erkenntnisse
- Wenn auf Booking.com alles ausgebucht ist, hat das Tourismusbüro sicher noch einige freie Unterkünfte
- Man kann auch mit fremden Wanderschuhen vier Tage wandern gehen
- Wer auf den Drei Zinnen Bergidylle sucht, ist hier komplett falsch
- Wer auf der Bonner Hütte Bergidylle sucht, ist hier komplett richtig!
- Nicht jede scheinbar wasserarme Gegend, ist wirklich wasserarm
- Wenn das Internet mehrfach sagt, dass ein Weg steil ist, ist er es wahrscheinlich auch
- Der silberne Stoneman scheint nicht unmöglich, beim Goldenen hat man allerdings keine Zeit für Hüttenpausen.
- Zusatzgipfel geben der Wanderung die besondere Würze: Sobald sie erwähnt werden – auch wenn nur zum Spaß – sind sie fix eingeplant.
„genug Zeit zum Einkehren bei Hütten“
Genug Zeit, aber nicht genug Hütten!!!