Noch einmal eine traditionelle CDH07-Wanderung sollte es werden, bevor im August dann ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Für diese vorerst letzte Tour ihrer Art wurde das berühmte Soča-Tal in den Julischen Alpen im Nordwesten Sloweniens ausgewählt: Mächtige Berge, tief eingeschnittene Täler, viele Wälder und mittendrin der türkisgrüne Soča-Fluss. Ein Paradies für Freunde des Wildwassers, aber auch für Wanderer: Über den “Soška pot” (Soca-Weg), Alpe-Adria-Trail oder Juliana Trail kann man das Tal auch perfekt zu Fuß erkunden.
Bei der heurigen Spazierung sind mit Christoph, Matzi, Georg und mir fast alle üblichen Verdächtigen dabei. Nur Gernot ist extra nach Amerika ausgewandert, damit er nicht mehr mit uns wandern muss.
Unsere Tour geht konkret von Trenta über Bovec und Kobarid in insgesamt drei Wandertagen, rund 75 km und verhältnismäßig wenig Höhenmetern nach Tolmin.
Das Wetter kennt bei unseren Wanderungen oft nur Extreme: Entweder war es wie 2019 auf Mallorca mit 35°C sehr heiß, oder es schneite wie bei der Tour im Toten Gebirge 2014. Heuer ist es ähnlich: Genau während der Dauer der Wanderung zieht eine Kaltfront mit sehr viel Regen über ganz Europa. Zum Glück verläuft die gesamte Route im Tal, daher ist zumindest Schnee kein Thema.
Wir reisen bereits am Vorabend an und gehen zum Aufwärmen die kurze Wanderung zur Soča-Quelle: Vom Parkplatz ist diese in nur 15 Minuten und ca. 100 Höhenmetern zu erreichen. Die letzten seilversicherten Meter und der Anblick der Quelle sind bereits ein erstes Highlight!
Das Wetter hält beim darauffolgenden Einstandsbier noch an, während des Abendessens beginnt es allerdings dann wie vorhergesagt für die ganze Nacht zu regnen.
Tag 1: Trenta – Bovec
Voll motiviert starten wir in den Tag, denn ein Wetterfenster schenkt uns einen trockenen Vormittag!
Nur Georg kränkelt heute leider etwas, versucht aber den Tag mitzugehen.
Nach wenigen Minuten erreichen wir die Soča und die erste Brücke. Zum Spaß hatte Tanja vor der Wanderung gemeint, wir könnten ja bei jeder Brücke einen Schnaps trinken. Da Matzi zum Glück seinen Flachmann dabei hat, wird so die neue Tradition des “Brückenschnaps” geboren, welcher fortan bei jeder Fußgängerbrücke eingenommen werden muss. Durch dieses neue Ritual und der fotogenen Soča, kommen wir anfangs aber nur relativ langsam voran. Das ist aber nicht so schlimm, weil man so auch die Natur genießen kann. An gewissen Passagen fühlt es sich für mich so an, als könnte man auch irgendwo mitten in Alaska sein: Nur Natur in Sicht!
Aufgrund der Wetterprognose treffen wir nur wenige andere Menschen, doch gleich als wir den ersten Wanderern über den Weg laufen, rutscht Matzi aus. Es sollte nicht der letzte Ausrutscher sein…
Kilometer um Kilometer stellt sich heraus, dass es doch sehr viele Brücken über die Soča selbst, aber auch die Nebenflüsse, welche in die Soča münden, gibt. Besonders dabei hervorzuheben sind die vielen imposanten Hängebrücken, welche mit zunehmender Flussbreite bis zu 63 Meter lang werden!
So steigt der Pegel der Soča und sinkt der Pegel des Flachmanns stetig flußabwärts.
Nach 10 km erreichen wir die kleinen und bei 13 km die spektakulären großen Soča-Schluchten, wo sich der Fluß auf bis zu einen Meter verengt und 15 Meter tief wird.
Einmal die Wanderer im Fokus
Kurz darauf finden wir mit dem “Pristava Lepena” ein unerwartet schönes kleines Resort auf einem Hügel mitten im Wald, wo wir zu Mittag essen. Leider beginnt es nun zu regnen. Auch nach einer längeren Pause ist kein Ende in Sicht und so freut sich unser Regenequipment, dass es zum Einsatz kommt! Nach den ersten nassen Minuten haben wir uns aber an die neuen Verhältnisse gewöhnt.
Mittlerweile ist die Soča breit genug, dass erste Kanufahrer einen wilden Ritt wagen. Wir beobachten, wandern und passieren wieder eine Brücke. Der Flachmann ist mittlerweile leer.
Bald verlassen wir den Flusslauf Richtung Zielort Bovec, passieren einen Campingplatz, gehen noch einige Höhenmeter bergauf und erreichen wenige Minuten später unsere Unterkunft.
Auch wenn der Tag nur 22 km lang war, spüre ich leider mein rechtes Knie wieder einmal. Außerdem hat Georg den Tag zwar durchgebissen, aber da keine Besserung in Sicht ist, wird er morgen leider abreisen.
Tag 2: Bovec – Kobarid
Nach einem ausgefallenen Frühstück mit Schoko-Torte, Schoko-Mousse, Panna Cotta etc, verabschieden wir uns von Georg (aka Rufus). Als Ersatz für ihn und den leeren Flachmann holen wir uns dann im Supermarkt einen Liter kroatischen Schnaps, welcher uns fortan als “Rufus of the day” begleiten wird.
Zu Beginn starten wir wieder trocken in die mit 27 km längste Etappe der Tour. Zumindest von oben ist es trocken. Denn sobald wir vom Ort Bovec in den Wald abzweigen, wird der Weg nass und tief matschig. Nass bedeutet Wasser, Wasser bedeutet Bach, Bach bedeutet Brücke. In nur wenigen Minuten passieren wir so viele Brücken, dass es mich schon ziemlich dreht. Danke Rufus of the day!
Vorbei geht es am großen Wasserfall Vrje und dem Speichersee für das Wasserkraftwerk, danach beginnt es wieder zu regnen. Wir gehen aber natürlich weiter zum ersten Highlight des Tages: Dem Boka-Wasserfall, welcher der größte Wasserfall in Slowenien ist und durch die vielen Regenfälle der letzten Wochen aktuell besonders viel Wasser führt.
Vor dem Boka-Wasserfall
Man könnte hier bis zu 450 Höhenmeter aufsteigen, um den Wasserfall von ganz oben zu betrachten, da mein Knie aber wieder zwickt und der Tag sowieso noch lang genug ist, gehen wir nur zum ersten Aussichtspunkt. Der Alpe-Adria-Trail, auf dem wir uns heute befinden, ist ab nun leider wegen Bauarbeiten für einige Kilometer gesperrt, aber es gibt eine offizielle Umleitung über den Ort Zaga.
In Zaga, nach erst 11 km, geht es dann schon in die Mittagspause, da es die letzte Einkehrmöglichkeit vor dem Zielort ist. Während wir in der warmen Stube unsere Pizza genießen, regnet es draußen weiter vor sich hin.
Gleich wie am Tag zuvor hilft das Abwarten nicht und wir gehen im Regen weiter. Unser Weg scheint aktuell nicht oft begangen: Immer wieder müssen wir mit einiger Kreativität kleine Flüsse überwinden, die normal ausgetrocknet sind oder nur sehr wenig Wasser führen. Der Weg erinnert etwas an einen Dschungel. Wir sind schon ziemlich nass, aber die Stimmung ist gut!
Bald kommen wir durch die Ortschaft Srpenica und über eine Soča-Brücke zurück auf den Hauptweg, der von hier an nicht mehr gesperrt ist.
Die längste Brücke
Schnellen Schrittes geht es auf dem breiten, grob geschotterten Weg weiter voran. Kurze Zeit später kommt uns ein Radfahrer entgegen und bleibt bei uns stehen. Schon etwas erschöpft erklärt er uns, dass er umkehren musste, weil in etwa zwei Kilometern die Strecke großflächig und hüfttief überschwemmt ist.
Er rät uns dringend, auch umzukehren. Ich schaue auf die Karte und es wäre für uns ein Umweg von mindestens sieben Kilometer und der Weg würde großteils über die vielbefahrene Hauptstraße verlaufen. Nicht so toll. Da wir eh schon den ganzen Tag im Regen unterwegs sind, dachten wir uns: Sooo schlimm kann es ja nicht sein, dass wir da nicht irgendwie durchkommen würden. Immerhin sind wir zu Fuß flexibler als mit dem Rad. Wir gehen daher weiter #yolo.
Nach ein paar Minuten wird der Weg extrem matschig, mit vielen Wasserlacken. Ist es das schon? Nein, unmöglich. Wir sehen eine Radspur, die weiter geht. Danach wird der Weg noch grober und wir fragen uns, wieso man hier überhaupt mit einem Fahrrad unterwegs ist. Aber seine Spuren gehen noch weiter. Mit jeder Minute, fragen wir uns mehr, wie schlimm die Überschwemmung denn sein muss, weil der Radfahrer es hier immer noch geschafft hat zu fahren.
Neben uns wird es etwas lauter, es hört sich nach Wasser an. Dann schaue ich nach links und sehe eine Wiese, durch die ein großer Bach rinnt, der normalerweise nicht hier sein sollte. Wenige Meter weiter kreuzt dann der Weg diesen Bach. Hmm… das wird es jetzt wohl sein. Schaut in der Tat spannend aus. Aber wenn man schon eine halbe Stunde mit dem Gedanken umher wandert, auf eine Überschwemmung zu treffen, hat man sich schon die Optionen im Kopf ausgemacht: Entweder einen Weg darüber bzw. herum finden oder Schuhe aus und durchwaten.
Unterhalb des Weges ist es steil, felsig und der Fluss eher reißend. Auch nach oben scheint eine Umgehungsmöglichkeit nicht in Sicht. Auf Höhe des Weges schaut das Wasser aber wirklich sehr tief aus. Während ich überlege, ziehen sich Matzi und Christoph schon die Schuhe aus und starten die Durchschreitung. Da das Wasser direkt aus dem Berg kommt, hat es auch eine erfrischende Temperatur.
Glücklicherweise ist das Wasser aber nicht ganz hüfttief, so dass unsere Hosen nicht nass werden, wenn wir sie ganz hinauf ziehen. Nach 20 Metern wird das Wasser auch flacher. Zu diesem Zeitpunkt sind unsere Füße schon so durchgefroren, dass wir die Kälte nicht mehr spüren. Nach weiteren 30 Metern kommen wir wieder ins Trockene. Geschafft! Schuhe wieder an und weiter gehts!
Durchschreitung
Kurz darauf kommen wir auch schon zur nächsten Soča-Brücke und folgen dem Weg auf dem anderen Ufer weiter. Aber nur kurz: Nach 200 Metern ist der Weg wieder überschwemmt! Diesmal aber direkt von der Soča und auch wenn es nur wenige Meter sind, ist das Risiko hier in den Fluß zu stürzen einfach zu groß. Da es hier einen relativ einfachen Umweg über den Ort Trnovo gibt, folgen wir dieser Variante. Dass wir wenige Minuten später eine offene Bar im Dorf finden, ist ein weiterer Pluspunkt!
Endstation: Überschwemmung des Weges
Wieder wechseln wir auf die andere Uferseite, wieder eine Hängebrücke, wieder ein Schnaps.
Nur noch sechs Kilometer gemütlich weiter, dann haben wir es geschafft! So zumindest der Plan.
Das Tal wird nun aber immer enger und steiler. Auch wenn der Weg nicht per se gefährlich oder steil ist, ist trotzdem Trittsicherheit nötig. Immer wieder kommen kleine Bäche (mit kleinen Brücken!) den Berg herunter.
Bei einer dieser Brücken warten wir wie üblich zusammen, doch als Matzi einen Schritt auf das feuchte Holz der Brücke macht, bricht auf einmal eine kleine Tritthilfe weg, er rutscht aus und es überschlägt ihn hinunter in den Graben. Ich denke schon, es ist vorbei, denn nach nur wenigen Metern geht es senkrecht 20 Meter tief in die Soča hinunter! Doch instinktiv schafft es Matzi Halt zu finden und bleibt noch im Graben liegen. Glücklicherweise hat er sich dabei, bis auf ein paar Schürfungen, keine gröberen Verletzungen zugezogen. Ich bin zu diesem Zeitpunkt völlig schockiert, weil wir nur knapp einem Unfall entkommen sind.
Vorsichtig gehen wir weiter. Nach einem steilen hinauf und hinab, ist die letzte Soča-Hängebrücke, um auf die andere Seite in den Zielort Kobarid zu kommen, schon in Sicht! Der Tag war schon lang und auch wenn ich keine Blasen habe, zwickt das Knie immer wieder (was aber dank Kniestrumpf erträglich ist) und ich war schon etwas müde. Doch als wir den letzten kleinen Bach vor der besagten Brücke überqueren wollen, kommt die Ernüchterung: Es gibt keine Brücke über den Bach mehr. Alles wurde weggeschwemmt. Nur noch ein kleiner Teil ist – unter Wasser – sichtbar. Auch ist hier eine Durchschreitung nicht möglich: Viel zu tief und zu gefährlich. Eine Umgehung entlang des Flusses zu finden ist aufgrund von steilen Hängen auch nicht möglich. Das kann doch nicht wahr sein! Es sind nicht mal mehr zwei Kilometer zum Ziel!
Kurz vor dem Tagesziel: Hier geht es nicht weiter!
Aber es hilft nichts. Die letzte Soča-Brücke war vor vier Kilometern. Dorthin zurück inklusive Umweg wären wir bis in die Nacht unterwegs. Es war mittlerweile schon 18:15 Uhr und meine Stimmung war eher gedämpft.
Dann finde ich auf der OpenStreetMap aber noch eine andere Möglichkeit: Ein Umweg über den Kozjak-Wasserfall! Hoffen wir, dass es diesen Weg auch wirklich gibt. Wir gehen ein paar Minuten zurück und biegen dann auf besagten Weg ab. Tatsächlich erreichen wir schon 20 Minuten später den Eingang zum Wasserfall, wo auch schon andere Menschen sind! Super, das heißt, es gibt hier einen Weg weiter! Ich war wieder erleichtert! Da die Kassa nicht besetzt und der Wasserfall nur 400 Meter entfernt ist, nehmen wir auch diese “Abkürzung” noch mit! Und es sollte sich lohnen: In einer Mischung aus Schlucht und Höhle schießt das Wasser hier herunter! Beeindruckend! Beeindruckend ist auch, dass der Flachmann heute schon ein zweites Mal leer wird. Aber ein bisschen Reserve haben wir noch!
Brückenschnaps
Danach folgen wir dem touristischen Weg zurück zur Soča, wo Christoph noch die Relikte aus dem Ersten Weltkrieg besichtigen muss, und überqueren endlich die vorhin erwähnte Brücke. Jetzt nur noch gemütlich auf Asphalt bis zur Unterkunft im Zentrum von Kobarid “ausgehen”. Kurz vor dem Ziel rutscht Matzi schon wieder aus, diesmal auf einer Gehsteigkante. Die Wanderschuhe – welcher er seit der Parenzana 2015 benutzt – gehören wirklich bald ausgetauscht!
Jetzt ist es aber geschafft! Nach 31 Kilometern erreichen wir um 19:30 die Unterkunft. Was für ein Tag.
Tag 3: Kobarid – Tolmin
Sveti Anton (Kobarid)
Für den letzten Tag gäbe es grundsätzlich mehrere Varianten. Da es aber auch heute noch Regen vorhergesagt, ich mein Knie nicht noch mehr strapazieren will und ich mir eine Erkältung eingefangen habe, scheint die kürzeste Variante über 18 Kilometer direkt nach Tolmin die beste Variante.
Wir starten mit einem kurzen Aufstieg zur architektonisch interessanten Kirche Sveti Anton über Kobarid, bis wir dann wieder hinunter zur Soča, über die Napoleon-Brücke Richtung Süden abzweigen.
Napolean-Brücke
Der Weg heute ist richtig zum „Kilometer Abspulen“ geschaffen: Meist flach und asphaltiert, schaffen wir zeitweise fünf Kilometer in unter 50 Minuten. Die Strecke verläuft oft durch kleine Ortschaften, einmal hinauf zu einen kleinen Kirche und dann wieder zwischen Steinmauern durch grüne Wälder.
Kurz vor Tolmin beginnt es wie üblich wieder zu regnen. Noch einmal die Regenmontur angezogen und weiter gehts. Wenige Kilometer später erreichen wir den Zielort und gönnen uns – wie soll es anders sein – eine Pizza.
Nach dem Essen waren es nur noch 500 Meter bis zur Unterkunft, aber der Regen wollte nicht aufhören! Wir erreichen die Unterkunft und gönnen uns einen Sauna-Nachmittag im neu eröffneten Wellnessbereich. Während wir dort chillen, hört der Regen auf und plötzlich ist es wolkenlos und sonnig!
Als Abendessen gibt es jetzt daher bei Sonnenuntergang das erste Eis der Tour! Wir haben es uns verdient!
Erkenntnisse
- Auch im Regen kann man wandern!
- Den Wetterbericht kann man schmeißen…
- Endlich glaube ich, gute Wanderschuhe gefunden zu haben: Meine Adidas Terrex Free Hiker haben mich trocken und blasenfrei durch die Tour gebracht!
- Nicht nur Matzi und ich, sondern auch Christoph hat die gleiche Regenjacke (nur in einer anderen Farbe)!
- Matzi scheint Vorfahren im Soča-Tal zu haben: Dort gibt es ein Apartment und einen Zahnarzt Kravanja!
- Habe immer einen Umweg parat! Vor allem wenn man viele Brücken überqueren muss, die vielleicht überschwemmt wurden.
- Wenn man bei einer Wanderung eine Pizza gegessen hat, dann war man dabei!
- Immer genug Reserve-Schnaps mithaben, vor allem wenn es viele Brücken gibt!
- Vor der 3-Tages-Wanderung im Regen besser prüfen, ob die Schuhe noch genügend Profil haben.
- Wenn man sich in der Ferienwohnung in Netflix/Amazon Prime eingeloggt, sollte man sich vor der Abreise wieder ausloggen, ansonsten könnte man viele “spannende Serien” angeschaut haben…